Erinnerung und Mahnung
Kriederdenkmöler mit ihrer Heldenverehrung sind uns fremd geworden

Gauting: Der nackte Krieger im Monumentalstil hat den Stahlhelm abgelegt. (Bild: Hauck)
Die meisten Kriegerdenkmäler wurden entweder nach dem Krieg 1870/71 eingeweiht und zeigen Siegessymbole wie Säulen und Obelisken oder nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren. In Deutschland gibt es noch rund 100.000 dieser höchst unterschiedlich gestalteten Monumente, deren Inschriften uns so pathetisch und fremd vorkommen: „Dank den Heldensöhnen“, „Getreu bis in den Tod“, „Sie starben den Heldentod fürs Vaterland“. Ein Bewusstsein für Verantwortung und Schuld findet sich nicht.
Kriegerdenkmäler sind stumme Zeugen des Umgangs mit Geschichte, in Stein gehauene Zeichen des Zeitgeists. Um sie besser zu verstehen, heißt es auf Spurensuche zu gehen. Meistens stifteten sie Pfarrgemeinden oder Kriegervereine, deshalb stehen sie nahe der Kirche oder im Zentrum. Wie groß die Lücken waren, die der Erste Weltkrieg in die Dorfgemeinschaft schlug, sieht man zum Beispiel in Feldafing. 31 Namen stehen auf der Gefallenenliste – eine gewaltige Zahl bei damals nur 750 Einwohnern. In fast jeder Familie wurde getrauert. Zum einen waren die Denkmäler eine Erinnerungsstätte, ein symbolisches Grab, zu dem die Hinterbliebenen gehen konnten, um zu trauern. Hatten doch die gefallenen Söhne, Ehemänner, Brüder ihre letzte Ruhe oft nicht in der Heimat gefunden, sondern auf einem Soldatenfriedhof irgendwo unerreichbar in Frankreich. Zum anderen sollte die Verklärung des sinnlosen Massensterbens als Heldentod dabei helfen, den Schmerz besser zu verarbeiten, dem Verlust so etwas wie einen tieferen Sinn zu geben.
Siegersymbole und sterbende Soldaten
Die Ausschmückung war eine Kostenfrage: bei manchen Gemeinden reichte es nur zu einem Findling, andere leisteten sich eine Figurendarstellung. Auch die fiel sehr verschieden aus. Im Landkreis Starnberg etwa zeigt sich ein sieghafter Drachentöter (Tutzing) oder ein drohend brüllender Löwe (Feldafing). Die Symbolik suggeriert, dass die Niederlage nicht eingestanden wird. Andere Kriegerdenkmäler bilden Soldaten in verschiedenen Haltungen ab. Der Erste Weltkrieg, in den die jungen Männer so siegesgewiss gezogen waren, endete mit einer Niederlage. Der verlorene Krieg führte zu neuen Ansätzen der Gestaltung. In Aufkirchen hält ein steinerner Krieger ewige Wacht, in Gilching ist ein sterbender Soldat zu Boden gesunken, mit letzter Kraft hebt er den Kopf. In Gauting kauert ein Mann auf dem Boden, den Stahlhelm hat er abgelegt, er ist nackt und bloß, wenn er auch den Blick aufrecht in die Ferne hält. Diese Figur im Monumentalstil etwa stammt aus dem Jahr 1928 und wurde von dem Münchner Bildhauer Karl Himmelstoß geschaffen.
Das Starnberger Denkmal, das vor dem Rathaus stand, gibt es nicht mehr. Nur noch Tafeln mit Namen erinnern am Eingang der alten Pfarrkirche St. Josef an die Gefallenen.
Heute: Denkmäler gegen den Krieg
Nach 1945 entstanden kaum mehr neue Kriegerdenkmäler. Die vorhandenen wurden mit den Namen der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen und der Kriegsopfer ergänzt. Mit der Friedensbewegung setzte jetzt ein Umdenken ein. Heroisierung war nicht mehr gefragt angesichts Millionen Toter auf den Schlachtfeldern und im Holocaust. Auch der Name Kriegerdenkmal war nicht mehr zeitgemäß und wurde ersetzt durch „Gefallenendenkmal“ oder „Mahnmal gegen den Krieg“. Manche Gemeinden stellten die Symbolik der alten Denkmäler an sich in Frage. In Pöcking zum Beispiel entschied man sich 1983 mutig dafür, das alte Kriegerdenkmal zu entfernen und stattdessen eine moderne Skulptur aufzustellen, die ein wie von Granatsplittern zerfetztes Kreuz zeigt. Auf der Inschrift ist vom Heldentod nicht mehr die Rede. Sie lautet stattdessen: „Den Gefallenen zur Ehre – den Lebenden zur Mahnung“.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH