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Rubrik: Gesamt · Ort: fuenfseenland
Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Eigenes Konto, Beruf - Der Ehemann entschied alles
"Männer und Frauen sind gleichberechtigt" heißt es im Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes, das nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen wurde. Freilich galt dieser eherne Grundsatz lange Zeit nur auf dem Papier, denn in Wahrheit waren zumindest verheiratete Frauen durchaus nicht ihren Ehemännern gleichberechtigt.
Der Mann entscheidet
So hieß es von 1958 bis 1977 im Paragraphen 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) noch: "Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist." Wer darüber entschied, ob es mit den Rechten und Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war, war natürlich der Ehemann. Dieser konnte noch bis 1958 auch gegen den Willen seiner Frau deren Dienstverhältnis kündigen, wenn er dies für richtig und notwendig erachtete. Bis 1962 durfte eine verheiratete Frau ohne die Zustimmung, das heißt Erlaubnis, ihres Ehemannes kein Konto eröffnen und erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen.
Reform des Ehe- und Familienrechts
1977 wurde das Ehe- und Familienrecht reformiert. Im Paragraph 1356 BGB hieß es nun: "Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen. […] Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein." Das heißt im Klartext, dass eine verheiratete Frau erst ab 1977 frei entscheiden konnte, ob sie erwerbstätig sein wollte oder nicht.
Was die Erziehung der Kinder betrifft, so wurde n die väterlichen Vorrechte 1958 erstmals eingeschränkt, jedoch erst 1979 vollständig beseitigt.
Selbstbestimmung sieht anders aus
Auch was die sexuelle Selbstbestimmung der Frau angeht, ging es nur langsam voran. Bis ins Jahr 1956 mussten in Baden-Württemberg Lehrerinnen durch ein "Lehrerinnen-Zölibat-Gesetz" aus dem Staatsdienst ausscheiden, sobald sie heirateten. Den Sex in der Ehe hatte die Ehefrau nicht nur hinzunehmen. Richter des Zivilsenats am Bundesgerichtshof 1966 formulierten es ganz präzise: "Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zutragen." Eine Vergewaltigung in der Ehe gab es schlicht und einfach nicht. Die wurde erst ab 1997 als Straftat verfolgt.
Das Wahlrecht
Im Gegensatz zu den Frauen in der Schweiz waren die deutschen Frauen in Sachen Wahlrecht schon verhältnismäßig früh mündig, sie durften ab 1918 wählen. Den Schweizer Frauen wurde dieses Recht erst im Jahr 1971 eingeräumt, im Kanton Appenzell Innerrhoden freilich erst am 29. April 1990.
Ein lange Weg also zur Gleichberechtigung, der beschritten wurde und sicher noch nicht zu Ende gegangen ist.
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