Der Bankraub ist längst out
Kripo warnt: Heute arbeiten Verbrecher mit vielen Tricks
Der ältere Herr, er war über achtzig, wurde zunehmend mürrischer, als die Sparkassenmitarbeiterin Claudia Fraunhofer ihn fragte, weshalb er denn sein Tresorschließfach räumen und den gesamten Inhalt, immerhin Werte in Höhe eines mittleren fünfstelligen Betrags, in einem Stoffsack ungesichert nach Hause bringen wolle. Auf hartnäckiges, mehrmaliges Nachfragen, gab er schließlich an, dass er den Inhalt des Tresorfaches einer Behörde übergeben müsse, aber damit bereits zu viel gesagt habe, denn er sei zu äußerstem Stillschweigen verpflichtet worden. Das machte Claudia Fraunhofer nun noch misstrauischer und sie informierte ihren Chef, Gerhard Treiblmair. Ihrer Pflicht zur Aufmerksamkeit und Vorsorge waren sie nachgekommen, aber genügte das? „Zum Glück hatte die Tochter des Herrn Verfügungsgewalt über die Bankgeschäfte ihres Vaters, und so konnten wir sie informieren, ohne gegen den Datenschutz zu verstoßen“, erzählt Fraunhofer. Die Tochter schickte ihrerseits nun ihren Mann zum Vater, der dort das erwartete Telefonat zur Vereinbarung eines Abholtermines entgegennahm. Das genügte – es erschien niemand.
Die Vorgeschichte
Was war geschehen? Der Senior hatte den Anruf einer angeblichen Staatsanwaltschaft erhalten. Der sehr energisch und dominant auftretende Anrufer informierte den alten Herrn darüber, dass einige Mitarbeiter des Geldinstitutes, wo er seine Wertsachen habe, in Verdacht stünden, kriminelle Machenschaften zu betreiben und eben diese Wertsachen dort nicht mehr sicher seien. In einwandfreiem und akzentfreiem Deutsch forderte der Unbekannte ihn auf, unverzüglich alles aus dem Tresor zu holen, es in einen Stoffbeutel zu geben und zu sich nach Hause zu bringen. Den Bankangestellten gegenüber solle er strengstes Stillschweigen bewahren, um sie nicht ungewollt vorzuwarnen. Er, der Anrufer, würde sich dann wieder melden, um einen Termin zur Übergabe der Wertsachen zu vereinbaren, damit diese sicher verwahrt würden. Dank der Aufmerksamkeit von Claudia Fraunhofer wurde der alte Herr aber doch nicht um sein Vermögen gebracht.
Die Tricks der Gauner
Die Kripobeamten Simon Bräutigam (Weilheim) und Martin Sponsel (Garmisch-Partenkirchen) bedankten sich bei Claudia Fraunhofer mit einem großen Blumenstrauß und nutzen die Gelegenheit, um bei einem Pressegespräch vor Betrügern der genannten Art und ihren Tricks zu warnen.
„Der klassische Bankraub von früher ist schon längst out“, sagte Bräutigam. „Längst hat sich in der Unterwelt herumgesprochen, dass Banken keine größeren Geldbeträge mehr im Hause haben. Also verlegte man sich auf ein anderes Feld.“ Gerade in Zeiten der Pandemie seien die Menschen viel mehr zuhause und daher viel leichter für Betrüger erreichbar. Und dank moderner Technik seien die Ganoven in der Lage, auf dem Display der Angerufenen zum Teil bekannte Nummer anzeigen zu lassen, eben etwa die der Bank, der örtlichen Polizei oder anderer Behörden. „Vorsicht in solchen Fällen, wenn, um angebliche Echtheit vorzutäuschen, um Rückruf gebeten wird“, warnen Bräutigam und Sponsel. „Denn wer jetzt auf die Wiederwahltaste drückt, der ruft natürlich nicht die Bank, die Polizei oder eine andere Behörde an, sondern den unbekannten Anrufer, der in den meisten Fällen im Ausland sitzt.“
Zu den beliebtesten Fallen gehören, neben dem bereits bekannten „Enkeltrick“, sogenannte „Schockanrufe“, bei denen eine schlimme Notfallsituation vorgegaukelt werde, wo ganz dringend finanzielle Hilfe nötig sei. Auch Anrufe falscher Polizeibeamter seien nach wie vor häufig, ebenso wie die Information über angebliche Geldgewinne, für die jedoch vorab Transportkosten zu zahlen seien. Ganz im Trend liegen zurzeit fingierte Geldanlagen, in die der Anrufer einen bestimmten Eurobetrag investieren soll und binnen weniger Tage die Nachricht erhält, sein Geld habe sich verdrei- oder gar vervierfacht. Er solle gleich nachinvestieren. Will der Investor dann irgendwann seinen „Gewinn“ einstreichen, werden freilich Gebühren fällig: gutes Geld, das dem schlechten nachgeworfen wird, denn sein Geld sieht er nie wieder, nicht das investierte und erst recht nicht den sogenannten Gewinn.
Am Telefon nie über Geld sprechen
Die Kripobeamten raten daher: „Am Telefon niemals über Geld sprechen! Im Zweifelsfall sofort auflegen.“ Erhält man einen solchen Anruf, so solle man umgehen die echte Polizei darüber informieren, „auch wenn man nicht darauf reingefallen ist“, sagt Bräutigam. Eine sichere Rufnummer sei dabei die 110. „Das ist heute nicht nur eine Notfallnummer, sondern auch eine Art Servicenummer der Polizei.“ Ganz wichtig zu wissen aber: „Die Polizei wird niemals und unter keinen Umständen selbst über die 110 anrufen. Taucht diese Nummer als Anrufer im Display auf, sollte man am besten gar nicht erst abheben.“
Simon Bräutigam und Martin Sponsel informieren regelmäßig Bankmitarbeiter und Privatpersonen über die Tricks und Winkelzüge von Gaunern und Betrügern, können dies in Pandemiezeiten aber derzeit vor Ort weniger tun und begrüßen daher jede andere Möglichkeit, um zu warnen.
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