"Den Kampf ein Stück weit übernehmen"
Patienten- und Pflegebeauftragter Hermann Imhof will pflegende Angehörige stärken
Am kommenden Donnerstag, 8. September, findet erstmals der "Bayerische Tag der pflegenden Angehörigen" statt. Hermann Imhof, CSU-Landtagsabgeordneter und Bayerischer Patienten- und Pflegebeauftragter, will mit der Veranstaltung Betroffene erreichen und sie auf Angebote hinweisen, die in dieser schwierigen Lebenssituation Unterstützung und Entlastung bringen können. Im Vorfeld trafen er und die Leiterin seiner Geschäftsstelle, Ministerialrätin Elisabeth Nordgauer-Ellmaier (r.) mit pflegenden Angehörigen in der Evangelischen Pflegeakademie zusammen, um sich mit ihnen auszutauschen. (Bild: ms)
Sie möchten gerne einmal wieder durchschnaufen können, eine Nacht durchschlafen oder ein paar unbeschwerte Tage jenseits des Alltags genießen. Die Wünsche von pflegenden Angehörigen sind eher bescheiden, wenn man sie an den Ansprüchen misst, die in unserer Gesellschaft gang und gäbe sind. Und dennoch sind sie für viele der Betroffenen nur mit großem Aufwand zu bewerkstelligen. Hermann Imhof, CSU-Landtagsabgeordneter und Bayerischer Patienten- und Pflegebeauftragter kennt die Belastungen, denen pflegende Angehörige ausgesetzt sind. Um das Wirken der vielen Frauen und Männer hervorzuheben, die ihre Eltern, Partner oder Kinder zu Hause pflegen, und auf Angebote hinzuweisen, die die oftmals schwierige Lebenssituation erleichtern können, hat er die Veranstaltung "Bayerischer Tag der pflegenden Angehörigen" ins Leben gerufen, die erstmals am Donnerstag, 8. September, im Bayerischen Landtag stattfindet. Im Vorfeld traf er sich mit betroffenen Angehörigen zu einem Gepräch im Evangelischen Pflegezentrum Sendling.
"Ich will das ändern"
Als ihm 2014 das Amt des Bayerischen Patienten- und Pflegebeauftragten angeboten worden sei, habe er mit Leidenschaft ja gesagt, berichtete Hermann Imhof, der sich selbst als klassischen und späten Seiteneinsteiger in die Politik bezeichnete. Erst mit 50 Jahren habe er sich für eine politische Laufbahn entschieden. Davor war der jetzt 63-Jährige lange Jahre beim Caritasverband Nürnberg tätig, erst als Personalleiter und stellvertretender Direktor und schließlich als Direktor. Soziale Themen begleiten ihn daher schon sein halbes Leben.
Sein Amt gebe ihm die Freiheit, Prozesse anzustoßen, erläuterte der Politker. "Wie pflegende Angehörige ihren Alltag bewältigen können, wird eine zentrale Frage der Zukunft sein. Im Moment bekommen sie zu wenig Beachtung. Wir wollen sie gezielter, deutlicher in den Mittelpunkt stellen", versicherte er und wandte sich direkt an die Teilnehmerinnen der Runde: "Wir lassen Sie oft alleine – ich will das ändern."
Mehr Vernetzung
Wie eingeschränkt der Tag von pflegenden Angehörigen ist, wurde im Gespräch unmittelbar deutlich – an der Zeitnot nämlich, die den Betroffenen immer im Nacken sitzt. Ute Daumiller, die seit drei Jahren ihren Mann pflegt, mahnte an, dass sie die Veranstaltung pünktlich wieder verlassen müsse, da sie nur für den vorgegebenen Zeitraum eine Betreuung zu Hause habe. Daumiller gehörte im Jahr 2000 – damals pflegte sie ihre Mutter – zu den Initiatorinnen des Vereins Wohlbedacht e.V., der neben einer Tagespflege für dementiell Erkrankte inzwischen auch eine Nachtbetreuung, Wohngemeinschaften, einen Demenzkrisendienst sowie Gesprächsgruppen für Angehörige bietet. "Es hängt alles am Geld, eine vernünftige Pflegesituation herzustellen", stellte sie fest und obwohl sie durch den Verein viele Kontakte hat, gab sie zu: "Ich wünsche mir mehr Vernetzung in meinem Quartier, damit ich nicht so alleine bin."
Zu bürokratisch
Wochenanzeiger-Mitarbeiterin Doris Awad, die ihrer Mutter bei der Pflege ihres Vaters zur Seite steht und sich vor allem um die Beschaffung von Hilfsmitteln kümmert und die Möglichkeiten von Unterstützungsangeboten auslotet, musste feststellen, dass viele Informationen nur über das Internet abrufbar sind. "Ältere Menschen haben aber oft kein Internet", kritisierte sie. Auch einen Kurzzeitpflegeplatz zu bekommen, sei nicht so einfach. Man habe eine Vorlaufzeit von mindestens zwei Wochen – und dann müssten mindestens 14 Tage in Anspruch genommen werden. Ansonsten sei der Verwaltungsaufwand zu hoch, habe man ihr mitgeteilt. "Was ist, wenn ein Notfall eintritt und man sofort einen Platz braucht oder wenn man nur einige Tage überbrücken muss?", fragte sie. "Das ist alles zu bürokratisch."
"Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden", konstatierte Edith Sawitzki, die aufgrund der Erkrankung fast rund um die Uhr für ihren Mann da sein muss. Sie schilderte sehr anschaulich ihre Schwierigkeiten mit Pflegediensten und Krankenkasse. "Um alles muss man kämpfen", sagte sie – eine Erfahrung, die auch Paula Angermann gemacht hat, die ihren Mann seit 2007 pflegt und mit ihm extrem belastende Situationen durchlebt und durchlitten hat. "Ich bin eine Kämpfernatur", meinte sie. "Aber manchmal wusste ich nicht mehr weiter."
Beratungszentren sind nötig
"Ich biete Ihnen an, dass wir den Kampf ein Stück weit für Sie übernehmen. Manchmal hilft schon ein Schreiben mit dem Briefkopf des Pflegebeauftragten weiter", entgegnete Hermann Imhof und umriss seine Ziele: Ausbau von betreuten Wohngemeinschaften, Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, Förderung von Selbsthilfeangeboten und die Einrichtung von Beratungszentren, die die Angehörigen passgenau in allen Dingen rund um die Pflege beraten und begleiten. "Es gibt zwar viele Beratungsstellen – doch jede berät nur ihr Segment", fügte seine Mitarbeiterin Elisabeth Nordgauer-Ellmaier hinzu. Die Ministerialrätin leitet die Geschäftsstelle des Patienten- und Pflegebeauftragten. "Wir brauchen Zentren, die alles aus einer Hand abwickeln", betonte sie. "Das Problem ist die Finanzierung."
Dass an den Rahmenbedingungen und der Finanzierung der ambulanten wie auch der stationären Pflege noch gewaltig nachgebessert werden müsse, darin war sich Hermann Imhof mit den Anwesenden einig. "Hätte man nicht die Möglichkeit gehabt beim PSG II (Pflegestärkungsgesetz; Anm. d. Red.) etwas zu bewerkstelligen?", fragte der Einrichtungsleiter des Evangelischen Pflegezentrums Sendling, Florian Walter. "Ich erlebe das System zum Zerreißen gespannt. Eine wirkliche Verbesserung sehe ich nicht." Seine Bitte an Hermann Imhof: "Dieses Kämpfen an jeder Stelle muss besser werden."
Gleichberechtigt nebeneinander
Dieser erwiderte darauf, dass die Personalbesetzung dringend bereits 2017 angehoben werden müsse, und nicht wie es der Bund vorhabe, erst 2020. Wichtig sei es, Dinge nicht gegeneinander auszuspielen, resümierte er und betonte, dass die Pflege zu Hause und die Pflege in Heimen, dass das Ehrenamt und die professionelle Pflege nicht nur alle ihre Berechtigung hätten, sondern sich auch sinnvoll ergänzten. "Das System Pflege muss viel passgenauer angegangen werden", sagte er.
Gleichzeitig hielt er nicht hinter dem Berg, dass Pflege in Zukunft teurer werde. "Es wäre gelogen, wenn wir es nicht zugeben", stellte er fest und setzte hinzu: "Unsere Gesellschaft muss sich das wert sein."
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