"Das Internet wird nie den örtlichen Fachhandel ersetzen"
"Der Markt ist im Umbruch" hört man von allen Seiten. "Das Internet erobert den Markt! 25 Prozent der Deutschen kaufen im Internet!" Na und, könnte man sagen. Dann kaufen 75 Prozent der Deutschen nicht im Internet, das sind drei mal so viele!" Alles recht und schön, aber unsere Gesellschaft spaltet sich in zwei Lager, wenn es um Einkaufen, Kundendienst und Preise geht. Die einen, von mir gerne als "ganz normal" oder als "Traditionalisten" bezeichnet, kaufen so ein wie ihre Eltern und ihre Freunde, wenn sie höhere Ansprüche an Qualität, Beratung und Installationswünsche haben. Sie kennen das richtige Fachgeschäft oder suchen sich eines in ihrer Nähe. Der Inhaber schafft ein Vertrauensverhältnis zum Kunden, fährt gerne auch in die Wohnung oder in das Haus der Kunden. Und liefert letztlich nach der Kaufentscheidung durch die Kunden alles so, wie es vereinbart wurde. Der Fachmann baut alles ein, erklärt die Funktionen der gelieferten Geräte und ist auch später und weit nach dem Kauf immer gerne für seine Kunden da. Kunde glücklich – Fachhändler glücklich – eine sog. "Win-Win-Situation". Warum kann das nicht einfach so weiter gehen? Warum lassen sich 25 Prozent der Deutschen plötzlich so leicht vom Kurs der serviceorientierten Fachberatung und dem persönlichen Kundendienst vor Ort abbringen? Ist es wirklich nur der Peis, der die Leute steuert?
"Schön, so einzukaufen?"
Der Preis ist eine Geisel des Endverbrauchers und des Handels – egal ob im Stadtviertel oder im Internet! Nur weil ein Kunde meint, dass es im Internet billiger sein müsste, kauft er plötzlich im Internet. Und weil das so gut ablief, kauft er wieder im Internet. Dass sie sehr oft das Paket im DHL-Postamt abholen müssen, weil ja tagsüber keiner zu Hause war, sagen sie nicht. Und auch nicht, dass sie noch einmal die gleiche Prozedur bei DHL mitmachen müssen mit Aufklebern ausschneiden und Schlange stehen, weil das Zeug nicht gepasst hat und deshalb die als "unkompliziert" bezeichnete Rücksendung der Ware notwendig ist. So bequem wie die Bestellung am Laptop im Wohnzimmer ist das natürlich nicht. Da muss man wieder Schlange stehen! Ist es wirklich schön, so einzukaufen? Verlieren wir alle unseren Anspruch an Beratung, Qualität und Kundendienst vor Ort, nur weil ein Konzern namens AMAZON behauptet, dass der Einkauf dort einfacher ist?
"Werden schlecht behandelt"
AMAZON nutzt alle Lücken im Gesetz, um in Deutschland möglichst wenig Steuern zu bezahlen. Luxemburg öffnet AMAZON Tür und Tor und lässt Umsätze bzw. Gewinne mit einem Prozent versteuern. Die Mitarbeiter und die Kooperationspartner werden schlecht behandelt. Aus der Summe dieser Minderleistungen gegenüber dem Fachhandel vor Ort entsteht ein scheinbarer Preisvorteil bei AMAZON. Kundendienst und Serviceleistungen lassen sich nur auf gleichem Niveau vergleichen. Wer bietet Ausbildungsplätze, wer schließt unbefristete Arbeitsverträge, bietet seinen Mitarbeitern/innen Sonderprämien und Weihnachtsgeld, Grillpartys und Ausflüge nach Andechs, weil man in der Firma ein Team ist. Das macht nur der inhabergeführte Fachhandel! AMAZON macht das ganz sicher nicht!
"Zeche zahlt der Kleine"
Der sogenannte unkomplizierte Kauf im Internet wird mehr und mehr zu einer Seuche. Zu einer Krankheit, aus der sich der Einzelne kaum noch befreien kann. Weil er den Blick auf das Ganze verliert. Kaufzwang ist ein Fall für den Psychiater. Plötzlich steht nur noch der Preis im Focus, und nicht mehr das Produkt oder der für ein Fernsehgerät oder einen komplizierten neuen Herd notwendige Kundendienst. Ich erlebe das sehr oft, dass Internetkäufer die Möglichkeiten der im Netz gekauften Geräte bei Weitem nicht auszunutzen wissen. Und wenn der Schrott-TV nach zweieinhalb Jahren kaputt geht, kaufen sie völlig blind wieder im Internet den nächsten Schrott-TV! Es gibt große Unterschiede in der technischen Qualität und Ausstattung zwischen Internet- und Fachhandelsgeräten. An einem guten Fachhandels-Fernseher werden Sie 15 bis 20 Jahre ihre Freude haben. Der Mehrwert an Qualität steckt natürlich im Kaufpreis. Es lohnt sich aber allemal, das bessere Gerät im Fachhandel zu kaufen. Meist mit Lieferung und Einstellung vor Ort. Und Fragen nach dem Kauf werden vom Fachmann gerne beantwortet. Frag mal das Internet....!
Letztlich ist es auch ein bisschen eine Charaktersache, wo und bei wem jemand einkauft. Dass Steuerflüchtlinge und Firmen, die ihre Mitarbeiter schlecht bezahlen und schlecht behandeln, billiger sind, sollte nicht die Motivation für den Einkauf bei diesen Grauzonen-Unternehmern sein. Jeder Steuer-Euro, der nicht von Internet-Firmen bezahlt wird, fällt letztlich auf den Endverbraucher zurück. Die Zeche zahlt immer der Kleine.
Sepp Lechner/ Josef Veith
Krug Fernsehen
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