„Aufpassen, wem wir unser Geld geben“
Sendlinger Traditionsgeschäft „Outdoorschuhe München“ schließt
Von außen sind die großen Schaufenster mit rotem und gelbem Stoff verhangen; die Eingangstür steht zwar offen, aber ein Zettel mit der Aufschrift „Heute wegen Umbau geschlossen“ macht deutlich, dass an diesem Tag nicht verkauft wird. Drinnen herrscht dennoch geschäftiges Treiben: Es wird sortiert, umgeräumt, besprochen. „Wir bereiten uns auf den Räumungsverkauf vor“, sagt Katharina Wessel und lässt den Blick über die vielen hochwertigen Wander-, Berg- und Trekkingschuhe schweifen, die wegen der Geschäftsaufgabe deutlich unter Wert ihren Weg aus dem Laden finden werden. Das Traditionsgeschäft „Outdoorschuhe München“, das seit rund 20 Jahren am Kapuzinerplatz 1 beheimatet ist, wird es ab dem 15. Oktober 2016 nicht mehr geben. Seit dem 25. August wird das Sortiment abverkauft.
"Wir waren vorgewarnt"
Seit dem 25. August wird das Sortiment abverkauft. Da Katharina Wessel vergangenen Winter und im Frühling privat ins Geschäft investieren musste, sieht sie keine andere Möglichkeit als die Schließung des Ladens: „Wenn etwas nicht mehr rentabel ist, muss man rechtzeitig die Reißleine ziehen, bevor man Insolvenz anmelden muss“, weiß sie. Die Sportpädagogin spricht aus Erfahrung: „Wir hatten früher ein Bergsport-Fachgeschäft namens BaseCamp in der Implerstraße, das leider insolvent gegangen ist. Dieses Ende für den neuen Ladens war früher oder später absehbar, wir waren durch die Entwicklung vorgewarnt.“ Bereits damals habe man den aufkommenden Online-Handel – besonders im Bereich Bergsport – deutlich zu spüren bekommen. Dennoch ließ sich Katharina Wessel nicht abschrecken und entschied sich weiterhin für den Einzelhandel. „Mit den Vorbesitzern der 'Outdoorschuhe München' haben wir mit BaseCamp eng zusammengearbeitet; gab es bestimmte Schuhe in unserem Laden nicht, haben wir unsere Kunden dorthin verwiesen. Als 2008 die Inhaber das Schuhfachgeschäft aufgaben, haben wir es übernommen.“
„Einzelhandel im Wandel“
Fünf Jahre lang hat Katharina Wessel Erfolg mit „Outdoorschuhe München“: Sie beschäftigt fünf geschulte Mitarbeiter aus dem Fachhandel, bietet hauptsächlich Schuhe aus hochwertiger Handarbeit an, die aus „besten Grundstoffen, nachhaltig produziert und reparierbar“ sind, und gewinnt dadurch viele treue Stammkunden. Von Wessels Beratung und der Qualität des Sortiments überzeugt, empfehlen ihre Kunden den Laden im Schlachthofviertel weiter.
Aber vor ca. drei Jahren machen sich auch hier erste Umsatzeinbrüche bemerkbar. „Der Einzelhandel ist im Wandel“, bedauert sie. „War früher der Händler im Umfeld der direkte Konkurrent, ist dieser nun über hunderte von Kilometern entfernt.“ Der Online-Handel betreibe „eine Art Verdrängungspolitik durch absolute Dumpingspreise“, die sich der stationäre Einzelhandel aufgrund hoher Steuern und Mieten nicht leisten könne. „Wer diesen Wahnsinn überlebt, ist der Onlinegigant Amazon: Auf Kosten der Händler, die ihn als Marktplattform nutzen, wächst er ins Unermessliche“, ärgert sich Wessel. So verliere nicht nur die Ware an Wert, „in Bezug auf Steuerzahlungen möchte ich nicht daran denken, wie viel Väterchen Staat da entgeht!“
„Ganz schön kurzsichtig“
Dass die Politik dem stationären Einzelhandel nicht überzeugt unter die Arme greift, versteht Katharina Wessel nicht: „Ich wünschte, Online-Giganten würden wie die Einzelhändler besteuert werden!" Stattdessen förderten Bund und Länder die Riesenkonzerne auch noch direkt oder indirekt. Der dadurch hervorgerufene Wandel mache sich bereits jetzt in vielen Städten sichtbar: „Durch den Einbruch im Umsatz fehlt den kleinen Händler die Substanz, die teuren Fixkosten zu stemmen. Die kleinen Händler verschwinden aus dem Stadtbild. Stattdessen breiten sich die Filialisten aus oder die Räume stehen leer.“ Von Seiten der Politik sei das „ganz schön kurzsichtig. Was soll aus den Städten werden, woher soll das Geld kommen?“, fragt sie frei heraus.
"Zusammen steuern"
Den Bürgern hingegen macht Katharina Wessel keine Vorwürfe: „Ich kann es keinem Endverbraucher verdenken, wenn er die günstigen Online-Angebote wahrnimmt – schließlich müssen wir alle immer mehr darauf achten, was uns am Monatsende im Geldbeutel übrigbleibt.“ Dennoch habe jeder einzelne die Möglichkeit zu entscheiden, welche Werte als unterstützenswert betrachtet werden. „Wir können alle zusammen steuern, wie unsere Umwelt und unser gesellschaftliches Leben in Zukunft aussehen wird.“ Wie? Darauf hat Wessel eine klare Antwort: „Indem wir aufpassen, wem wir unser Geld geben. Wenn die Bürger das verstehen, verstehen sie auch, welch eine machtvolle Position sie eigentlich innehaben.“ Und das führt letztendlich zu einem Fazit: Wer weiter denkt, kauf näher ein.
„Ich bin optimistisch“
Was ihre berufliche Zukunft angeht, macht sich Katharina Wessel keine Sorgen. Sie werde zwar den persönlichen Kontakt zu ihren Kunden und den Vertretern sehr vermissen, freue sich aber in erster Linie auf mehr Zeit mit ihrer Familie. Als freiberufliche Sportpädagogin habe sie viele Möglichkeiten, sich im Arbeitsleben zu positionieren: „Ich werde etwas Neues finden, bin optimistisch und offen für alles!“, sagt sie überzeugt. Einen neuen Start als stationäre Einzelhändlerin möchte sie dabei „zu gegebener Zeit“ nicht ausschließen.
Was bleibt also noch im Zusammenhang mit „Outdoorschuhe München“ zu sagen? „Ich möchte mich bei allen treuen Kunden und ihre vielen Weiterempfehlungen sowie bei meinen Mitarbeitern bedanken. Es war eine tolle Zeit, auf die ich immer voller Freude zurückblicken werde!“
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