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Allein im Museum

Das große Warten auf den Brücke-Maler Erich Heckel

Das Meisterwerk " Landschaft bei Rom" (1909) von Erich Heckel. Museumsleiter Daniel J.Schreiber hofft, dass die Ausstellung bald weitergehen kann. (Bild: Hauck)

Alles harrt ungeduldig der Wiederöffnung der Kultur. Gerade mal zwei Tage war im Buchheim-Museum die neue Sonderausstellung über den gefeierten Brücke-Künstler Erich Heckel zu sehen gewesen. Museumsleiter Daniel J. Schreiber hat einiges durchgemacht und versucht, den zweiten Lockdown gelassen zu nehmen. „Die Ausstellung läuft noch bis zum 7. März“, tröstet er. Zeit genug also für einen Besuch der lohnenswerten Schau.

 

Vor 50 Jahren ist Erich Heckel gestorben – Anlass für die Retrospektive dieses Pioniers der Moderne, der „mit bemerkenswerter Kühnheit auf die Leinwand losging“, wie Lothar-Günther Buchheim anerkennend vermerkte. Schon als Gymnasiast in Chemnitz lernte Heckel seinen congenialen Weggefährten Karl Schmidt-Rottluff kernen, die beiden gründeten wenige Jahre später zusammen mit Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl die revolutionäre Künstlervereinigung „Die Brücke“. Sehr bald schon begann Heckel, der für Schreiber der "netteste" der Truppe war, mit seinen meisterlichen Holzschnitten. Die reduzierten Linien waren wegweisend für den Expressionismus.

Der nette Heckel

Die progressiven Brücke-Künstler malten anfangs mit Vorliebe weibliche Akte. "Sie verabscheuten die einstudierten klassischen Posen der Aktmodelle", erklärt Schreiber. Lieber luden sie ihre Freundinnen ins Gemeinschaftsatelier ein und brachten deren natürliche Bewegungen mit schnellen Pinselstrichen als „Viertelstundenakte“ zu Papier. Aus heutiger Sicht fragwürdig ist allerdings die Entscheidung für nackte Kindermodelle. Die anfangs neunjährige Muse Lina Franziska Fehrmann („Fränzi liegend“ ) galt den Künstlerfreunden dem Zeitgeist entsprechend als Inbegriff unschuldiger Erotik – jetzt verursacht der erwachsene Blick auf kindliche Körper Unbehagen.

Meisterwerke

Wenn Heckel malte, ging es farbgewaltig zu. Die Ausstellung zeigt viele seiner Hauptwerke aus seiner gesamten Schaffensperiode. Zu den berühmtesten zählen die „Landschaft aus Rom“, oder „Schlafender Pechstein“ – das verloren geglaubte Gemälde hatte der alte Fuchs Buchheim für einen Spottpreis bei einer Auktion kaufen können. Es fehlt auch nicht das wunderschöne Blumenstillleben „Amaryllis“, von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 geschmäht. Wer mehr über die einzelnen Bilder erfahren möchte, kann sich den vom Museumschef eingesprochenen Audioguide ausleihen.

Verpuffter Aufwand

Die Heckel-Schau wird aus dem eigenen Bestand bestritten, der an die 500 Werke aus den Sammlungen Buchheim und Gerlinger umfasst. „Wir haben verdammt viel Stoff“, räumt Schreiber ein. Aber wenigstens keinen, der viel Kosten verursacht. Ganz anders als die fürs Frühjahr vorbereitete große Ausstellung über die hochkünstlerischen Originalrahmen der Brücke-Maler, die von Berlin direkt nach Bernried gehen sollte. „Mit den vielen Leihgebern und den ganzen Transporten war sie irre teuer“, so Schreiber resigniert. Wegen Corona musste alles komplett abgesagt werden. „So viel Aufwand und dann ist alles verpufft.“ Das Frühjahr hat Schreiber als „finanzielles Desaster“ abgehakt, rund 100.000 Euro weniger sind in der Kasse - Geld, das für zukünftige Ausstellungen fehlt. „Corona hat uns das ganze Jahr vermiest“, zieht der Museumsdirektor eine bittere Bilanz. Die „Rahmen“-Ausstellung später zu wiederholen, ist für ihn wegen der dann doppelt anfallenden immensenTransportkosten keine Option. Eventuell gibt es eine Art Mini-Edition mit dem Schwerpunkt auf die ästhetisch besonders lohnenswerten Rahmen von Kirchner. Aber das zieht Schreiber erst für 2022 in Betracht. Jetzt ist er schon froh, wenn das Buchheim-Museum mit der Heckel-Ausstellung wieder aufmachen kann.

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