Hohe Promidichte
Im Hollerhaus wurde Filmgeschichte mit "Zur Sache, Schätzchen" und "Der Bulle von Tölz" geschrieben. Lia Schneider-Stöckl erzählt
Wenn man aufzählt, wer hier alles ein- und ausging, liest sich das wie das Who’s Who der deutschen Künstlerszene: Film- und Fernsehschauspieler wie Gert Fröbe, Maria Schell, Siegfried Rauch, Ruth Drexel, Katerina Jacob, Ottfried Fischer oder Musiker Klaus Doldinger und Schriftsteller Golo Mann. In dem sechshundert Jahre alten Hollerhaus war und ist die Welt zuhause. Für die Künstler, die hier verkehrten, war es Bühne, Filmkulisse, Rückzugsmöglichkeit und Kraftquell. Für Lia Schneider-Stöckl ist es ein Herzensort: „Weil das Hollerhaus Geschichte atmet, lebt und ausstrahlt – und weil es so viele Menschen bereichert hat.“ Die Juristin kaufte es vor 20 Jahren zusammen mit ihrem Ehemann und schrieb kürzlich seine Historie auf: „Hollerhaus – Das Künstlerhaus im Isartal“ heißt ihr Buch.
Irschenhausen – Rilke und D.H. Lawrence
Das Hollerhaus ist ein altes Bauernhaus in Irschenhausen, einem verträumten Ortsteil von Icking und nur einen Katzensprung von Aufkirchen/Berg entfernt. Irschenhausen war vor hundert Jahren der Lieblingsort der Bohème – zeitweise lebten die Schriftsteller Rainer Maria Rilke und D.H. Lawrence dort. In seine illustre Phase trat das Hollerhaus ein, als es in den 1920er Jahren in den Besitz des Biene-Maja-Autors Waldemar Bonsels kam. Noch heute erzählt man von den skandalösen Schleiertänzen, die seine Gespielinnen im Garten aufführten. Mitte der 1930er Jahren erwarb das Hollerhaus der Gründer des „Münchner Merkur“, Felix Buttersack. Seine Schwester, die Baronin Marianne Beaulieu-Marconnay machte es zu einer weltoffenen Gästepension und vermietete am liebsten an Schauspieler, ihre Tochter Ingrid Lepsius erweiterte es zu einem weithin bekannten Treffpunkt für Künstler.
Drehbücher und viele Parties
In den 1960er Jahren ging es „Zur Sache, Schätzchen“: Die berühmtesten Pensionsgäste waren wahrscheinlich Werner Enke und Hans-Jürgen Tögel, zusammen mit May Spils das Dreamteam hinter dem Kultfilm von 1968. Die drei schrieben im Hollerhaus das Drehbuch dafür. Enke und Tögel teilten sich ein Zimmer und zahlten dafür 35 Mark monatlich, im Sommer gingen sie zum Baden an den Mörlbacher Moorweiher. Parties wurden oft und gern gefeiert, die Atmosphäre war ungezwungen: „Man konnte schlafen so lange man wollte, Gäste – Mädchen – auch über Nacht mitbringen und das Frühstück wurde von der Perle des Hauses Frau Bohusch bis 14 Uhr serviert!“, erzählt Schneider-Stöckl in ihrem Buch.
TV-Serien wurden hier gedreht
Häufig diente das alte Bauernhaus als Filmkulisse, wie 1986, als für die erfolgreiche TV-Serie „Die glückliche Familie“ ein schön gelegenes Haus auf dem Land mit Atelier gesucht wurde. Hier spielt Maria Schell 52 Folgen lang eine Journalistin und Hausfrau, zusammen mit Film-Ehemann Siegfried Rauch und -Tochter Maria Furtwängler.
Der romantische alte Holzbalkon mit den Geranien und der eingewachsene Garten vom Hollerhaus flimmerten 14 Jahre lang deutschlandweit über den Bildschirm: Von 1995 bis 2009 diente es als „Pension Resi“ für die Krimiserie „Der Bulle von Tölz“. Es ist die Heimat für Hauptkommissar Benno Berghammer (Ottfried Fischer) und seine resolute Mutter Resi (Ruth Drexel). Viele Male stärkte sich Benno Berghammer im Hollerhaus mit zünftiger Brotzeit und klärte von hier aus seine Kriminalfälle. Zu den Schauspielern, die in Gastrollen auftraten und im Hollerhaus vor der Kamera standen, zählten Veronika Ferres, Uwe Ochsenknecht, Fritz Wepper, Wolfgang Fiereck, Gisela Schneeberger, Christian Tramitz und viele mehr. Kein Wunder, dass manche Fans auch heute noch nach Irschenhausen pilgern. Auch Otti ist in den letzten Jahren immer wieder, trotz seiner Parkinson-Krankheit, für Lesungen zurückgekehrt.
Immer noch ein Künstlertreffpunkt
Das Schönste ist, dass das Haus ein Künstlertreffpunkt geblieben ist. Ermöglicht hat das Lia Schneider-Stöckl, die das Hollerhaus seit ihrer Jugend kennt. Ende der 90er Jahre, als Ingrid Lepsius eine betagte Dame war und der Verkauf im Raum stand, entschied sie sich mit ihrem Mann spontan dafür, es zu erwerben. „Sonst wäre es vorbei gewesen mit dem Hollerhaus als Galerie und Künstlerort.“ So setzte sie die Tradition fort, rund ums Jahr finden Ausstellungen, Konzerte und Lesungen statt, das Publikum kommt aus dem Isartal, München und Starnberg. Für Schneider-Stöckl ist das Hollerhaus immer wieder aufs Neue inspirierend: „„Es ist ein Ort für alle, um mit Kunst und Kultur wieder Kraft tanken zu können."
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